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Keine Sterne Mehr

Inzwischen haben mich meine Projekte in der Heimat völlig verschluckt. Zusammen mit der Zeit in Lützi und dem Umzug der gerade ansteht, schaffe ichs kaum, mir noch Momente für mich und für das Schreiben zu nehmen. Schaffe ichs doch, dann versinke ich in der Erinnerung, wie noch vor wenigen Wochen in den Sternen.

Daraus wieder aufzutauchen, kann mehr schocken, als ein Sprung ins Wasser. 

Shoutout an Klemen Vrankar für das Bild.
Shoutout an Klemen Vrankar für das Bild.

Oft genug liege ich so auf dem Rücken und blicke gen Himmel. Gerade, wenn in wolkenlosen Nächten ein Feuer neben mir knistert und der Sand unter mir knartscht, schaue ich so lange aufwärts, bis ich kaum noch einen schwarzen Fleck finden kann, weil mit jeder Minute ein neuer Stern auftaucht. 


Nie wird meine Faszination dafür enden, wie die weißen Lichter mir entgegen funkeln. Tausende und Abertausende von Sonnen - zahllose Wunder, die unsere Vorfahren seit jeher inspirieren. Die Klarheit ihres silbernen Lichts. Das unwirklich fesselt. Und den Geist befreit. Ob Navigation, Zeitmessung oder Glauben. Oder die Entfesselung der individuellen Vorstellungskraft – in die Sterne zu gucken, hat den Lauf der Geschichte verändert. 


Welch ein Privileg, dass ich so viel Zeit dafür habe. 


Ich suche nach den wenigen Sternenbildern die ich kenne. Der große Wagen. Und der kleine. Der Gürtel des Orion. Vertrautheit in der Ferne. In unendlicher Ferne. So weit sind sie weg, dass viele längst erloschen sind. Und doch fällt ihr Licht in unsere Augen. Ich frage mich, ob wohl noch alle Sonnen meiner Sternenbildern brennen. Oder ob auch sie ein Blick in die Vergangenheit sind, der keins ihrer Geheimnisse preisgibt. 


Eine Sternschnuppe zerreißt eine Sternengruppe. 

Ich wünsche mir etwas einfaches


Eine der Schönheiten des Reisens. Es gibt immer einen handfesten Wunsch. Wünsche, wie Ruhe an meinem Schlafplatz zu finden. Oder morgen an meinem Ziel anzukommen. Gutes Wetter oder eine Unterkunft für die nächste Stadt. Nur wenn ich viel Zeit mit anderen Menschen verbringe, wünsche ich mir etwas abstraktes – etwas für sie. Etwas von dem ich glaube, dass sie es brauchen können. 


Die Milchstraße erhellt die Nacht. Ihr Licht so hell, dass es Schatten wirft. Ein Phänomen, dass mich mehr ergreift, als es Worte gibt, die Sterne zu beschreiben. Das weiße Band – die Galaxie in der wir leben. Scheinbar unendlich. Und doch winzig klein, im ewigen Nichts des Universums. 

Im ewigen All des Universums. 


So wie ich, auf der Erde. Winzig klein, meine ich. Für mich ist unsere Welt alles. Für die Welt, bin ich nichts. Ein Klumpen Atome, der auf ihr hin und herpendelt. So wie sie selbst nur ein Klumpen Atome ist, der um die Sonne segelt. Alles eine Frage der Perspektive.


Zoomt man weit genug raus, ist alles egal. Weit genug rein, gibt es ein neues Real. Und was ist echt? Das was wir wollen. Und der Moment, in dem wir uns befinden.


Ich glaube echte Momente schaffen Erinnerungen. Erinnerungen an Feuer am Strand. An Gewitter im Pass. An Freunde und Platz. An den Lenker in der Hand, die Pedale unter den Füßen und die Reifen auf der Straße. An Sterne, die über mir durch den Himmel ziehen.


Und all die Momente, an die ich mich nicht erinnern kann? Sind die überhaupt passiert? All die Zeit auf Instagram? Die Zeit im Büro und die Zeit auf dem Klo? Irgendein Atomklumpen ist der Beweis, dass es so war. Und doch kann sich kein Mensch dran erinnern.


Wer erzählt schon Geschichten über Memes, die man sich auf der Toilette angeguckt hat?


Zurück in Hamburg, sehe ich kaum noch Sterne.


Dafür versinke ich nun wieder in Instagram.

 

Schon verrückt wie wir es geschafft haben, alles natürlich Schöne aus unser gebauten Welt zu verbannen. 


Und das silberne Leuchten durch ein blaues ersetzen. 


Verlieren, kann man sich in beiden. 


Nur befreit das eine nicht. 


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Kommentare: 1
  • #1

    T. (Montag, 16 Januar 2023 00:20)

    Danke für diesen berührenden und ehrlichen Text, der mich immer wieder zum Nachdenken bringt.